15.04.2010

Typische Kulturkneipe der ungarischen Nachwendejahre in Karlsruhe

Stipendiat aus Ungarn bringt sogenanntes Trümmercafé nach Baden
Von ddp-Korrespondentin Caroline Wadenka
Quelle: ddp Deutscher Depeschendienst GmbH

Karlsruhe (ddp-bwb). Ein Café, in dem kein Stuhl zum anderen passt, in dem eine ausgediente Autokarrosserie als Sofa dient und die Wände eher an Ruinen erinnern, ist auf den ersten Blick kein besonders anheimelnder Ort. In Ungarns Hauptstadt Budapest entwickelten sich diese sogenannten Trümmercafés in den Jahren nach der Wende 1989 zu den Treffpunkten der neuen Kunst- und Kulturszene. Der ungarische Stipendiat Gábor Törőcsik hat im Karlsruher Club «Stadtmitte» für die Europäischen Kulturtage (17. April bis 8. Mai) nun ein solches Trümmercafé nachempfunden. Junge Musiker, Literaten und DJs werden hier auftreten und das Festival, das im Zeichen von Budapest und der europäischen Kulturhauptstadt Pécs steht.

Die Robert Bosch Stiftung fördert jedes Jahr zwölf junge Menschen aus Mittelosteuropa, die dann in einer deutschen Kulturinstitution arbeiten. Törőcsik kam so zum Kulturamt Karlsruhe. Jeder Stipendiat entwickelt während seiner einjährigen Hospitanz ein großes Projekt. Für den 35 Jahre alten Ungarn, der nach der Wende selbst in Budapest studierte und miterlebte, wie sich in den Trümmercafés die neue alternative Kulturszene herausbildete, eine ideale Anknüpfungsmöglichkeit.

«Die Trümmerkneipen sind heute in Budapest sehr wichtig», sagt er. In den Räumen oder Innenhöfen von unrenovierten Häusern haben die Betreiber oft aus dem Sperrmüll Stühle, Tische und Mobiliar zusammengestellt. «Das ist inzwischen in Budapest ein Stil geworden, dass nichts zusammenpasst», berichtet Törőcsik. Die kreative Spannung ziehe viele Künstler an. «Die Atmosphäre ist hier besonders gut.»

Jörg Rieker vom Badischen Staatstheater, das zusammen mit der Stadt Karlsruhe die Europäischen Kulturtage organisiert, hofft auch auf einen Erfolg von KAfé Budapest. Das Format mit seiner Mischung aus Kleinkunst, Musik und Lesungen sei sehr spannend. Zudem gebe es mit dem Trümmercafé zum ersten Mal einen Begegnungsort für die Besucher. «Dadurch bekommt das Festival auch einen Ort, wo man sich treffen kann.» Törőcsik stellt jedoch klar, dass KAfé Budapest ein Experiment ist, für viele Deutsche sei es bestimmt ungewohnt, in eine solche Kneipe zu gehen. Anders als in den Trümmercafés in Budapest sind die Wände im Club Stadtmitte zwar völlig intakt, doch das Mobiliar ist wie in Ungarn im Patchwork-Stil.

Von Mittwoch bis Sonntag gibt es im KAfé Budapest Lesungen, Konzerte, Kurzfilme und DJ-Sessions. Der Name und die Schreibweise sind bewusst gewählt, um die Verbindung zwischen Karlsruhe und Budapest auszudrücken. Nicht nur junge Künstler aus der Budapester Szene werden hier auftreten. Auch deutsche Bands aus der Karlsruher Umgebung geben dort ihr Stelldichein. Zum einen sollen die bereits bekannten Bands und DJs Leute anlocken, zum anderen steht auch der Austausch zwischen den Künstlern im Mittelpunkt. DJs und Völkerverständigung - das höre sich zwar erstmal komisch an, räumt Törőcsik ein. Doch er ist überzeugt: Auch dies sei eine kulturelle Szene, für die ein Austausch bereichernd sei.

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